(fi) Was haben die Weltfirma IBM und der Obdachlose Simon P. (36) gemeinsam? Na klar, sie betreiben beide ein blog. Die eine mit Hilfe eines ganzen Stabs von IT-Experten, der andere – in seinen ›solideren‹ Phasen – von einem Internet-Café aus. Ohne blog, so scheint es, kommen beide nicht mehr aus. Und erst recht nicht die große Masse der blogger dazwischen, die sich jetzt (1. – 3. April) als selbst auserkorene Online-Elite zur Internet-Konferenz ›re:publica‹ in Berlin traf.

Dabei können blogs ganz schön nerven, vor allem wenn sie als selbstgebastelte Meinungsmaschinen bei der Online-Suche immer dann aufpoppen, wenn man grade vernünftige, sprich solide, verifizierbare Informationen sucht.

Das ist natürlich ein Journalisten-Problem.
Wir sind die Trennung von Information und Meinung gewohnt, haben es (hoffentlich) so gelernt. Wohlwissend, dass es ›Objektivität‹ sowieso nicht gibt. Aber man kann sich im Dienste größtmöglicher Informationsdichte zumindest darum bemühen. In einem Polizeibericht etwa, der einen Unfallhergang schildert, werden Sie keine Bewertungen und schon gar keine Gefühlsäußerungen finden: »Der verantwortungslose Fahrer bog rücksichtlos nach links ab, ohne auf die arme Radfahrerin zu achten, dieser Mistkerl!« Obwohl das, zugegebenermaßen, mal ganz witzig wäre.

Auch die Terminologie eines blogs irritiert Journalisten: Ein ›Kommentar‹ ist für uns etwas, das der Chefredakteur (oder ein anderer, der was zu melden hat) auf Seite zwei seiner Zeitung veröffentlich. Die blog-Szene hat das Wort ›Kommentar‹ von jetzt auf gleich inflationiert: Ein Kommentar ist hier zwar auch etwas öffentlich Lesbares, kommt aber genau vom gegenteiligen Ende des Kommunikationskanals, von der Basis. Jeder Leser kann und soll seinen ›Kommentar‹ hinterlassen, oder seinen Senf dazugeben.

Und auch das schreckliche Wort ›Kategorien‹ wabert durch sämtliche deutschen blogs, egal ob es um seriöse Firmenauftritte oder das Tagebuch von Tante Mimis Katze Schnurr geht. Oft kann man an so Kleinigkeiten erkennen, wie viel oder wenig Mühe sich die blog-Macher bei Ihren Internet-Auftritt (tataa!) gemacht haben. — Kategorien, das sind nichts weiter als die guten alten, aus der Tageszeitung bekannten ›Rubrike‹, und bei mir hießen sie auch mal so. Dann musste ich sie, damit die lieben blogger-kollegen sich hier nicht verirren, zurückbenennen in ›Kategorien‹.

Die Kommentare heißen bei mir in guter Journalistentradition früher ›Leserbriefe‹ – alles einfach zu verwirrend für die Netzgemeinde!

Fazit: blogs sind nervig, toll und unverzichtbar. Sie stehen erst am Anfang Ihrer Entwickung. Manche meinen, sie seien – dank Twitter – schon wieder out. Das glaube ich kaum. Blogs sind ein phantastisches Medium, auch für etablierte Journalisten, um ein wenig aus dem ›Off‹ zu berichten. Ein gutes Beispiel dafür ist der tagesschau-blog.

Was nervt, sind Szenegetue und Elitär-Gequatsche (Es heisst nicht der blog, sondern das blog, blabla!). Es muss auch nicht möglichst schrill, ausgefallen und pseudo-modern daherkommen. Und die Anzahl der Kommentare sagt nicht unbedingt etwas über die Qualität aus, auch wenn es der eine oder andere Promiblogger anders verkündet, nach dem Motto: Wer am lautesten bellt, bekommt ein Echo. Klar. Rauschen im Blätterwald kennen wir ja schon, Rauschen im blogging-Unterholz gibt es jetzt auch.

Einer der besten Vorträge der re:publica:
Die Sieben Todsünden im Blogdesign von Gerrit van Aaken. Humorvolle Läster- und Lob-Session über Extrem-Klischees. Die Todsünden:
– Hochmut (bewusstes Anti-Design, krasser Minimalismus)
– Habgier (Zuviel Werbung)
– Wollust (Zuviel visuelle Effekte und Schiebezeugs)
– Neid (Zu perfekte, magazinartige Blogs, die gar keine Blogs sein wollen) (genau!)
– Faulheit (Standard-Themes ohne Anpassungen)
– Zorn/Rachsucht (z. B. Punk-Style: Krampfhaft anders sein wollen als die Bosse)
– Völlerei (Zuviel Widget-Kram, Feature-Barock usw.)

Van Aaken: »Es kommt nicht darauf an, wie ›schön‹ ein Blog ist, sondern wie authentisch und glaubwürdig es aussieht. Ganz wie im richtigen Leben. Ob aus dem Bauch heraus oder kühl kalkuliert – es gibt Konzepte, die funktionieren, und andere tun es nicht.«

Genau! Und gut, dass oben genannten Todsünden ständig begangen werden, denn sonst hätten wir doch einen ganz schön langweiligen Einheits-Blogbrei.

Der Vortrag hier als Slideshow:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

z.B.: Die Eilige Schrift Zwölf unangenehme Thesen zur Katholischen Kirche im Jahre 2012. – Die Katholische Kirche befindet sich auf einem Parforceritt zurück ins Mittelalter … und viele spielen eine beklagenswerte Rolle, wenn es um die Volksverdummung im Interesse der Kirche geht. Kritische Stimmen sind kaum zu hören, man ist viel lieber happy im Papst-Wahn.

z.B.: Die Wissenschaft des Reichwerdens.

Im Jahr 2006 schoss ein Buch fulminant in den Bestsellerlisten nach oben: »The Secret«, das Geheimnis, von Rhonda Byrne, einer australischen Autorin und TV-Produzentin. Als eine ihrer maßgeblichen Quellen nannte Byrne in einem Interview Wallace Delois Wattles mit seiner »Wissenschaft des Reichwerdens«. Dieses Buch ist bis heute der am klarsten formulierte Ratgeber dafür, wie man Erfolg im Leben hat.

z.B.: Sun Tsu: Die Kunst des Krieges

Psychologische Führung aller Beteiligten, Flexibilität und Taktik gegenüber dem Gegner, äusserste Disziplin in den eigenen Reihen – das sind Prinzipien, die heute wie damals in allen großen Organisationen, ja sogar im persönlichen Leben und in der Mann-Frau-Beziehung von entscheidender Bedeutung sind.