Rechtsexperte: Google verstößt eindeutig gegen geltendes Recht

(ajf)
Deutliche Worte zum Geschäftsgebaren des Internet-Riesen Google findet der Düsseldorfer Rechtsanwalt Frank Joachim Mayer im e-commerce Magazin. Google verstoße in seiner Praxis des Sammelns und Archivierens von urheberrechtlich geschützten Texten in vielen Punkten gegen geltendes Recht. Insbesondere das Vorrätighalten von Artikeln im Google-Cache sei dann gesetzeswidrig, wenn diese Inhalte auf der ursprünglichen Seite schon längst nicht mehr online stehen.

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von Frank Joachim Mayer

Dichter, Denker – digitale Deppen?

Ein Interessenkonflikt: Google will das Wissen der Welt sammeln und den Usern kostenlos zur Verfügung stellen. Autoren wiederum wollen ein Honorar für ihre Mühen. Darf also Google deren Wissen kostenlos im Web anbieten?

Das Geschäftskonzept von Google fußt auf dem Streben nach Marktdominanz im Umgang mit allen weltweit verfügbaren Daten und Informationen. Nur mit diesem Geschäftskonzept konnte Google seine Marktführerschaft im Suchmaschinenmarkt begründen. Für Google ist es somit entscheidend, möglichst alle Informationen der Welt zu sammeln und abrufbar zu machen. Hinter Informationen steht jedoch oftmals das Werk eines Urhebers, der viel Geld ausgegeben hat, um das Werk erst zu schaffen.

Man denke hierbei insbesondere an Verlage und Nachrichtenagenturen, die mit einem enormen finanziellen Aufwand Bücher, Artikel oder tagesaktuelle Pressenachrichten produzieren. Das Urheberrecht schützt den Urheber eines Werkes der Literatur, Wissenschaft oder Kunst gegen die unbefugte wirtschaftliche Auswertung seiner schöpferischen Leistung. Hierunter fallen auch Presseartikel.

Wo also bedient sich Google im Streben nach der Erfassung des gesamten weltweiten Datenbestandes kostenlos an fremden Inhalten – und wo ist der ungehemmte Zugriff auf scheinbar allgemein zugängliche Informationen noch erlaubt?

Rechtsquellen

Die Gewährleistung des Urheberrechts wurde bereits in der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. 12. 1948 verkündeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. In Deutschland ist der Urheberrechtsschutz auch verfassungsrechtlich gewährleistet: Das Grundgesetz schützt den Urheber in seinen ideellen Interessen durch Art. 1 (Schutz der Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) sowie in seinen materiellen Interessen durch Art. 14 (Gewährleistung des Eigentums).

Das deutsche Urheberrechtsgesetz regelt im Einzelnen die Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk und zur Allgemeinheit. Hiernach gilt, dass Google jedenfalls nicht automatisch nur deshalb alle Informationen zur freien Verfügung »ersteigert«, weil der Sucheingabe ein Treffer gegenübersteht. Vielmehr steht hinter dem Treffer oftmals ein urheberrechtlich geschütztes Werk, das im geistigen Eigentum eines Dritten steht.

Konfliktsituation

Googles Konflikt mit dem Urheberrecht wird an zahlreichen Beispielen deutlich. Das Informationsportal Google News stellt hierbei ein besonders gravierendes Beispiel für die wiederholte und systematische Verwertung fremder Inhalte dar. Unter Google News betreibt Google neben der »normalen« Suchmaschine ein Informationsportal mit dazugehöriger Suchmaschine für tagesaktuelle Pressenachrichten. Google News gibt es in verschiedenen Länder- und somit auch in verschiedenen Sprachausgaben. International hat Google News bereits für einigen Zündstoff mit diversen Verlagshäusern gesorgt.

RA Frank Mayer

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Denn die Vervielfältigung und Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Sprachwerken – worunter auch Presseartikel und tagesaktuelle Nachrichten fallen – ist nur mit Zustimmung des jeweiligen Rechteinhabers und gegen ein Nutzungsentgelt zulässig. Das Nutzungsentgelt wird regelmäßig von sogenannten Verwertungsgesellschaften erhoben. Für Sprachwerke ist dies in Deutschland die VG Wort.

Ungeachtet dessen indexiert Google unter Google News Pressenachrichten. Hierbei werden Textausschnitte – sogenannte Snippets – vorwiegend tagesaktueller Nachrichten, meist bestehend aus Überschrift und den ersten zwei bis drei Sätzen, angezeigt. Die von Google News verwendeten Snippets werden redaktionell nicht überarbeitet. Es handelt sich ausschließlich um Kopien aus den verlinkten Artikeln. Wird ein Snippet angeklickt, erfolgt eine Verlinkung auf die Internetseite des jeweiligen Verlages. Dies funktioniert jedoch nur, solange der Artikel dort noch online ist. Wird er entfernt, zeigt Google eine gespeicherte Kopie im Google Cache.

Urheberrechtsverletzung

Bereits die Verwendung der Snippets auf der Seite Google News verstößt gegen das Urheberrecht. Vordergründig könnte man meinen, es handle sich um einen zulässigen elektronischen Pressespiegel. Doch laut BGH (Urteil vom 11. 07. 2002, Az.: I ZR 255/00) ist ein solcher nur erlaubt, wenn er betriebs- oder behördenintern bleibt. Google News verbreitet die Inhalte jedoch öffentlich.

Auch die Tatsache, dass der Nutzer auf den Originaltext weitergeleitet wird, ändert daran nichts – denn sobald der Artikel offline ist, zeigt Google die Kopie im Cache. Dies ist eindeutig unzulässig: Eine gespeicherte Kopie eines Artikels im Cache bereitzuhalten, nachdem dieser beim Originalanbieter entfernt wurde, verletzt das Urheberrecht doppelt – durch Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung.

Google gewinnt durch die unbefugte Ausbeutung fremden geistigen Eigentums. Auch wenn auf Google News keine Werbung geschaltet ist, verfolgt Google mit dem Dienst kommerzielle Ziele.

Google rechtfertigt sich damit, dass Urheber dankbar für den erzeugten Traffic seien. Doch viele Nutzer lesen bereits die Snippets, ohne den Gesamtartikel aufzurufen. Und außerdem hat auch Google sich an Recht und Gesetz zu halten.

Kommerzielle Ausbeutung fremder Inhalte

Im Ergebnis bedient sich Google News kostenlos an fremden Inhalten, für deren Herstellung Verlage hohe Summen investiert haben. Dadurch wird die Refinanzierung von Journalismus untergraben. Die kommerzielle Verwertung erfolgt indirekt über die Bekanntheitssteigerung der Google-Suche. Besucher werden angelockt – und Besucher bedeuten Geld. Das Modell ist strukturell vergleichbar mit illegalen Musik-Downloads.

Reaktionen im Ausland

Ausländische Verlage haben sich gewehrt: Belgien verurteilte Google 2007 zur Entfernung von Artikeln aus 19 Zeitungen. Dänemark stoppte den Start von Google News Dänemark 2006. Frankreichs AFP verklagte Google auf zwei Millionen Euro Schadensersatz. In Norwegen warf ein Verband von Pressefotografen Google »Diebstahl« vor.

Rechtliche Folgen

Google News ist ein Beispiel für Googles fragwürdigen Umgang mit fremdem geistigen Eigentum. Ähnlich agiert Google mit Google Book Search, das Bücher weltweit einscannt. Ziel ist totale Datenverfügbarkeit – aber: Der Zweck heiligt nicht alle Mittel. Urheberrechtliche Schranken sind verbindlich. Es ist Sache des Urhebers, über Verwertung, Vervielfältigung und Verbreitung seines Werks zu entscheiden. Eine Informationsgesellschaft darf das nicht aufgeben.

Autor: Frank Joachim Mayer

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