(ajf)
Lieber Bernhard Pörksen,
vor einigen Jahren habe ich Ihnen gelegentlich interessiert zugehört, da Sie ein unabhängiger Geist und erfrischender Denker waren. Ihr jüngster ›Essay‹ im SPIEGEL zeigt, dass davon nichts geblieben ist. Ihr Beitrag vom 23. August 2025 mag gefällig sein, aber er verliert sich auf Nebenschauplätzen.
Die weit wichtigeren Fragen wären gewesen:
Warum ist aus dem Spiegel das geworden, was er heute ist? Wie konnte sich ein ehemals unabhängiges, regierungskritisches Medium in ein fades Mitläuferorgan des Mainstreams verwandeln? Warum hängt der Spiegel immer noch selbstgefällig sein Motto »Schreiben, was ist« ins Fenster (und ins Foyer)? Während die tatsächliche Linie längst lautet: »Schreiben, was sein soll« – eine Welt, wie man sie sich wünscht: divers, ohne Trump, staatsfromm, folgsam, anti-rechts, woke.
Mit der Liebe zu Merkel kam beim Spiegel ein Maximum an Verdrängung politischer Fehlentscheidungen, ein Verschweigen importierter Kriminalität, ein Herabspielen importierten Antisemitismus. Später gesellten sich hinzu: Neusprech à la 1984, Gender-Ideologie, Cancel Culture, Diffamierung Andersdenkender (wie Sie es in Ihrem Artikel mit Precht, Welzer, Sloterdijk und Dobelli tun).
Hinzu tritt die Jagd nach Klicks und Reichweite. Das prägt die Form – Überschriften, Zuspitzungen, Dramatisierungen –, doch viel wichtiger ist und bleibt die ideologische Konformität. Sie bestimmt, was überhaupt berichtet wird, welche Begriffe erlaubt sind und in welchem moralischen Rahmen Themen erscheinen dürfen. Klicklogik regelt das ›Wie‹, Konformität regelt das ›Was‹.
Erinnern wir uns kurz an Claas Relotius. Er war kein exotischer Einzelfall, im Gegenteil: Er symbolisiert die Art und Weise, wie ›Haltungsjournalismus‹ heute die Welt so konstruiert, wie man sie sich zu Propagandazwecken (und zum Bauchpinseln der eigenen Moralität) wünscht. Die Methode Relotius trieb schlicht und einfach den aktivistischen Journalismus auf die Spitze: Wo die Welt nicht passte, wurde sie passend gemacht. Das unterscheidet sich nicht kategorial von der Art, wie Journalismus in den rotgrün angepassten Medien (also fast allen) heute funktioniert, es unterscheidet sich nur graduell. Relotius fiel auf, weil er es zu weit trieb. Vorher heimste er zahlreiche Journalistenpreise (lach) ein, weil er lieferte, was man lesen wollte. Nicht schreiben, was ist, war das Motto, sondern schreiben, was passt. Und so blieb es, auch nach Relotius. Aus Journalismus wurde im Lauf der Jahre Propaganda.
Ein schneller Blick zurück: In der Spiegel-Affäre von 1962 verkörperte das Blatt noch den Geist des Widerstands, den Mut zur Konfrontation mit der Staatsmacht. Damals war der Spiegel ein Aufdecker. Heute ist er in weiten Teilen Sprachrohr für Regierung und Ideologie, und Vertuscher statt Enthüller. Der Niedergang der Marke lässt sich genau in dieser inneren Umkehr beschreiben – vom Kontrollorgan der Mächtigen zur Beifallmaschine der herrschenden Narrative.
Wie Sie habe auch ich als Abiturient den Spiegel bewundert und auf dem Pausenhof gelesen. Aber heute wäre es mir peinlich, für dieses Blatt zu arbeiten. – Selbst ihn zu lesen ist meist schlimm genug.
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Der Essay von Bernhard Pörksen ist hinter der Spiegel Paywall erschienen und kann hier aus rechtlichen Gründen nicht vollständig wiedergegeben werden. Stattdessen folgt eine von ChatGPT angefertigte Analyse einiger kritischer Passagen:
(gpt) 1. Abschnitt I – Abwertung der Kritiker
»… von Richard David Precht bis Harald Welzer (›Selbstgleichschaltung‹), von Peter Sloterdijk (›Lügenäther‹) bis hin zum libertären Digital-Detox-Spießertum eines Rolf Dobelli … – eine Kritik …, die nicht verbessern, sondern diffamieren will. Und die in ihrer fuchtelnden Rechthaberei an einem doppelten Defizit krankt.«
→ Statt die Substanz der Kritik aufzugreifen (Haltungsjournalismus, ideologische Schlagseite, Verdrängung), erklärt Pörksen sie pauschal zur diffamierenden Rechthaberei.
2. Abschnitt II – Digitale Revolution
»Vorbei die Zeiten der Gatekeeper-Gemütlichkeit … Heute herrschen Stimmengewirr und Aufmerksamkeitsknappheit …«
→ Er schiebt die Probleme auf den digitalen Strukturwandel. Was fehlt: die Frage, warum die Redaktionen mit dieser Lage nicht plural, sondern konformistisch umgehen.
3. Abschnitt III – Beobachtung in der Redaktion
»Nichts dergleichen habe ich beobachtet, nichts davon bemerkt, im Gegenteil.«
→ Hier verteidigt er den Spiegel gegen Vorwürfe der Oberflächlichkeit, indem er einzelne Positivbeispiele hervorhebt – und blendet damit die systematische Schlagseite aus.
4. Abschnitt III – Interessantheit vs. Relevanz
»… dateninformiert, aber nicht datengetrieben.«
→ Er behauptet, die Redaktion bleibe den Idealen verpflichtet. Tatsächlich vermeidet er die zentrale Frage: Wer definiert, was »Relevanz« ist, und nach welchen ideologischen Kriterien?
5. Abschnitt IV – Ideen und Vorschläge
»Warum nicht … einen Chatbot (Arbeitstitel: SpiegelKompakt) programmieren …«
»… ein Spezialmagazin: Sinn & Selbst.«
»… eine Videokolumne der Auslandskorrespondenten.«
»… ein Labor der Zukunft.«
→ Alle Vorschläge betreffen Technik, Format oder Nischen-Themen. Er verweigert die eigentliche Analyse: die politische Schlagseite, die Aufgabe von Distanz, das Dogma der Konformität.
6. Grundhaltung im Fazit
»Der seriöse Journalismus ist … im Grundsatz der falsche Feind. Ebendies übersieht die Precht-Welzer-Sloterdijk-Dobelli-Fraktion …«
→ Wiederum: Er erklärt die Kritiker zum Problem und immunisiert den Spiegel. Damit umgeht er die Frage, ob die Diagnose der Kritiker in Teilen zutrifft.
Kurz: Pörksen verschiebt die Debatte. Er erklärt strukturelle Kritik zu Ressentiment, betont Digitalisierung und Geschäftsmodelle, und kommt am Ende mit kosmetischen Verbesserungsvorschlägen. Die zentralen Fragen nach ideologischer Ausrichtung, Gleichschaltung und Haltungsjournalismus blendet er aus.