(ajf)
Gutachter vor Gericht liefern oft ärgerliche bis unzumutbare Vorstellungen ab. In der Verhandlung des Josef Fritzl gab es eine Ausnahme. Ein besonnenes und analytisch sehr klares Gutachten über Fritzls verschobene Weltwahrnehmung lieferte die im Prozess eingeschaltete psychiatrische Sachverständige Adelheid (Heidi) Kastner (46) aus Linz, der somit in Fritzls kurzem Prozess die Schlüsselrolle zukam.
Sie bescheinigte Fritzl zwar eine massive Persönlichkeitsstörung, die aber sicher keine Schuldunfähigkeit zur Folge habe. Fritzl sei immer in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Handlungen zu erkennen. Trotzdem habe er sich dafür entschieden, so und nicht anders zu handeln. Damit wandte sich die Psychiaterin gegen die landläufige Auffassung, wer »so etwas« tue, müsse krank sein. »Das stimmt nicht«, sagte sie, »aber wer so etwas tut, muss schwer gestört sein … Es geht ihm um Macht, um Beherrschen, um Kontrolle«, konstatierte sie. Deshalb sei Fritzl weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich.