Inseln am Anfang der Zeit

(ajf) Samoa liegt nicht, wie man denken könnte, am Ende der Welt, sondern an deren Anfang – datumsmäßig jedenfalls. Es liegt kurz ›hinter‹ der Datumsgrenze, da, wo ein neuer Tag geboren wird. Wenn man also aus Asien oder Australien anreist, überfliegt man die Datumsgrenze und landet in der Vergangenheit, am vorhergehenden Tag. Der Tag, der in Neuseeland, Australien und den westlich der Datumsgrenze gelegenen pazifischen Inseln eben ›abgelaufen‹ ist, beginnt hier gerade erst einmal.

Das kann dann das erstaunliche Phänomen zur Folge haben, dass man auf Fidschi (›links‹ der Datumsgrenze) Silvester feiern kann, dann hoppt man hinüber nach Samoa (›rechts‹ der Datumsgrenze) und macht am folgenden Abend noch einmal ganz regulär Party.

Clevere Touristikunternehmer haben das natürlich zur Jahrtausendwende zum 1. Januar 2000 vermarktet (das neue Jahrtausend begann zwar kalendarisch erst zum 1. Januar 2001, aber das war nicht so wichtig). Gleich mehrere Inseln stritten sich um den ›ersten Sonnenaufgang‹ des neuen Jahrtausends, wie man in diesem amüsanten Artikel nachlesen kann. Samoa war nicht bei den ganz heißen Kandidaten, und das war auch ganz gut so – so ist die Inselgruppe nicht einmal durch die Jahrtausendfestivitäten nennenswert in ihrer luxuriösen Abgeschiedenheit gestört worden.

Viele Samoaner arbeiten im Ausland

Samoaner würden das mit der Abgeschiedenheit natürlich etwas anders bewerten. Viele empfinden sie nicht als Luxus, sondern als Belastung, und so kommt es, dass eine große Zahl von ihnen (zumindest vorübergehend) abwandert, um im Ausland (bevorzugt: Neuseeland, Australien) ihr Geld zu verdienen. Besonders junge Frauen verlassen in überdurchschnittlicher Anzahl die Insel – sodass ein (laut Wikipedia) schon fast erschreckendes Geschlechterverhältnis von 1 : 1,66 herrscht: eine Frau, ein und Zweidrittel Männer. Im normalen Leben ist davon allerdings gar nichts zu merken. Im Gegenteil – die jungen, strahlenden, fröhlichen Samoanerinnen sind überall.

Essen, Essen, Essen

Samoaner essen für ihr Leben gern. Und sie nehmen alles andere als Schlankmacher zu sich … Lieblingsnahrung ist, neben einer dicken Paste aus dem Fleisch der Kokosnüsse, die immer und überall gereicht wird, Corned Beef. Die Dosen, aus denen die Samoaner essen, sind aber nicht zu vergleichen mit dem, was man bei uns im Supermarkt findet, sondern sind rund und haben eher die Ausmaße von kleinen Wagenrädern. Und es scheint, dass fast jeder Samoaner davon eine Notration im Kofferraum hat – so wie unsereins ein Reserverad.

Ein Frühstück bei einer samoanischen Familie sieht so aus: eine Platte mit einem Berg Wurst- und Butterbrote (die Brotscheiben müssen dabei mindestens zwei Zentimeter dick sein), Kokosnuss-Paste, gebratenes Fleisch und Hühnchen – und natürlich Corned Beef.

Keine Hektik

So strahlen viele Samoaner also schon alleine durch ihren Leibesumfang eine gewisse Gemütlichkeit aus. Und das passt zu dieser Ecke der Welt: Wer Hektik sucht, ist hier am falschen Platz.

Samoanischer Bus von Innen

Samoanischer Bus von Innen

Auf Savai’i, der größeren – aber weniger dicht besiedelten der beiden Hauptinseln, kann man auf der Hauptverkehrsstraße, die an der Küste entlangführt, stundenlang zu Fuß gehen, ohne von einem Auto, Bus oder sonst etwas Motorisiertem überholt zu werden. Dafür wird man von den Samoanern, die einen von ihren wandlosen, quasi durchsichtigen Fale-Häusern aus kommen sehen, zum Essen eingeladen – um die sechsstündige Wartezeit bis zum nächsten Bus zu überbrücken.

Robert Louis Stevenson ist hier

Sehenswürdigkeiten gibt es auch: etwa die Alofaaga-Blowholes im Süden der Insel Savai’i – das sind Felsspalten und -röhren im Küstenfels, die das durch die Wellen andrückende Wasser wie Geysire nach oben schießen lassen – bis zu 100 Meter hoch. Oder die Sliding Rocks im Inselinneren von Upolu, ein System von Wasserfällen mit so glattem Stein, dass man (nicht ganz gefahrlos) Hunderte von Metern nach unten rutschen kann.

Stevensons Schreibtisch

Stevensons Schreibtisch

Oder die Villa von Robert Louis Stevenson, die er sich – durch Bücher (besonders ›Die Schatzinsel‹) reich und berühmt geworden – in die Hügellandschaft von Upolu bauen ließ. Stevensons Grab liegt oben auf einem kleinen benachbarten Berg, mit Blick über die halbe Insel. Hierhin verirren sich zwar manchmal Touristen, aber meist kann man diese Stimmung hier oben alleine genießen.

Die schönsten Sehenswürdigkeiten von Samoa aber sind die unberührte Natur im Inselinneren, die unglaublichen, postkartenreifen und perfekten Traumstrände – und die Freundlichkeit, Fröhlichkeit und Ungezwungenheit der Bewohner.

© AJF, 2008

Weitere Basic-Infos zu Samoa finden Sie hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Samoa