(fi) Sun Tsus Werk ›Die Kunst des Krieges‹ ist der Klassiker der Strategie- und Kriegsliteratur. Es ist jedoch mehr als ein Klassiker: Es ist heute noch aktuell, und in vielen Militärakademien rund um die Welt Pflichtlektüre. Schon für Napoleon war Sun Tsu der Schlüssel, um fast ganz Europa zu erobern. Erst als er seine Regeln nicht mehr befolgte, wurde er geschlagen.Über Sun Tsu (auch ›Sun Tzu‹ oder ›Sunzi‹) weiß man relativ wenig: Er wurde in China im damaligen Reich Qi als Sohn einer adeligen Familie geboren. Man vermutet, dass er in der Zeit zwischen etwa 550 und 650 v. Chr. gelebt hat. Von zahlreichen Feldzügen, an denen er beteiligt war, wird berichtet. So etwa von einer Schlacht im Reiche Chu, in der seine 30.000 Soldaten gegen eine zehnfache Übermacht siegten. Ob er im Felde starb oder nach der militärischen Karriere seinen Lebensabend genießen konnte, ist nicht bekannt.

Klar ist aber, dass er das einflussreichste Strategiebuch aller Zeiten hinterlassen hat. Eine Zeit lang wurde das Buch umgedeutet, beinahe als Anti-Kriegsbuch verstanden. Der Untertitel »Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft« ist jedoch symbolisch zu verstehen. Sun Tsu meint damit, dass nur ein auf leichte Art und Weise, durch taktische Überlegungen und Strategie errungener Sieg ein echter ist. Ein Sieg jedoch, der einen Großteil der eigenen Männer das Leben kostet, der jahrelange Belagerungen und das Darben der eigenen Bevölkerung, die eine blutige Armee im Felde unterstützen muss, mit sich zieht, ist in seinen Augen nicht wirklich ein Sieg.

Sun Tsu war ein Krieger-Philosoph, aber kein Pazifist. Er ist durch und durch dem Krieg verpflichtet, das zeigen viele Kapitel in seinem Buch, in denen er Aspekte einer kriegerischen Auseinandersetzung beleuchtet, von der Berücksichtigung von Gelände und Wetter bis hin zur Disziplin der Truppe.

Diese Kernsätze können Sun Tsus Philosophie auf einen Nenner bringen:
→ »Dein großes Ziel im Krieg soll der Sieg sein und kein langwieriger Feldzug. Das wichtigste in einer militärischen Unternehmung ist der Sieg, nicht das Durchhaltevermögen.«
→ »Die höchste Form der militärischen Führerschaft ist es, die Pläne des Feindes vollständig zu durchkreuzen und die Armee des Gegners ohne Kampf schachmatt zu setzen; die nächstbeste, die Formierung der feindlichen Streitkräfte zu verhindern; die nächste in der Rangfolge ist, die Armee des Feindes im Felde anzugreifen; und die schlechteste Strategie ist es, befestigte Städte zu belagern.«
→ »Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder einzelnen Schlacht in Gefahr sein, zu unterliegen.«

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Etwa um 100 v. Chr. erzählt Sima Qian, einer der Biographen Sun Tsus, diese Episode:

Sun Tsus Buch erregte die Aufmerksamkeit von Helu, des Königs von Wu. Er rief ihn zu sich und sagte: »Ich habe deine dreizehn Kapitel sorgfältig studiert. Darf ich deine Theorie über die Führung von Soldaten einer kleinen Prüfung unterziehen?«

Sun Tsu erwiderte: »Das dürft Ihr.« Der König fragte: »Darf sich die Prüfung auch auf Frauen beziehen?« Wieder stimmte Sun Tsu zu, und so wurden hundertachtzig Konkubinen aus dem Palast herbeigeholt. Sun Tsu teilte sie in zwei Kompanien und stellte je eine der Lieblingskonkubinen des Königs an die Spitze der Abteilungen. Dann ließ er sie alle einen Speer in die Hand nehmen und sagte zu ihnen: »Ich nehme an, dass ihr den Unterschied zwischen vorne und hinten und rechts und links kennt.«

Die Mädchen erwiderten: »Ja.«

Sun Tsu fuhr fort: »Wenn ich sage ›Augen geradeaus‹, dann müsst ihr nach vorn blicken. Wenn ich sage ›links um‹, dann müsst ihr euch nach links drehen. Wenn ich sage ›rechts um‹, dann müsst ihr euch nach rechts drehen. Wenn ich sage ›kehrt‹, dann müsst ihr euch rechtsherum umdrehen.«

Die Mädchen hatten auch dies verstanden. Als so die Befehle erklärt waren, ließ er Hellebarden und Streitäxte ausgeben, um den Drill zu beginnen. Dann gab er zu einem Trommelwirbel den Befehl: »Rechts um«, doch die Mädchen brachen nur in Lachen aus. Sun Tsu sagte geduldig: »Wenn die Kommandoworte nicht klar und deutlich sind, wenn die Befehle nicht richtig verstanden werden, dann trifft die Schuld den General.«

Er machte mit dem Drill weiter und gab diesmal den Befehl »Links um«, worauf die Mädchen abermals Lachkrämpfe bekamen. Da sagte er: »Wenn die Kommandos nicht klar und deutlich sind, wenn die Befehle nicht richtig verstanden werden, dann trifft die Schuld den General. Doch wenn seine Befehle klar sind und die Soldaten dennoch nicht gehorchen, dann ist es die Schuld der Offiziere.« Darauf gab er den Befehl, die Anführerinnen der beiden Kompanien zu enthaupten.

Der König von Wu beobachtete das alles vom Dach eines Pavillons aus. Als er sah, dass seine Lieblingskonkubinen enthauptet werden sollten, erschrak er heftig und schickte schnell die folgende Botschaft hinunter: »Wir sind zufrieden mit der Fähigkeit Unseres Generals, die Truppen zu führen. Wenn Wir dieser beiden Konkubinen beraubt werden, wird Unser Essen und Trinken den Geschmack verlieren. Wir wünschen nicht, dass sie enthauptet werden.« Sun Tsu erwiderte, noch geduldiger: »Nachdem ich einmal die Ernennung Eurer Majestät zum General der Streitkräfte erhalten habe, gibt es gewisse Befehle Eurer Majestät, die ich, wenn ich als solcher handle, nicht akzeptieren kann.«

Und seinen Worten zu Folge ließ er die beiden Anführerinnen sofort enthaupten und setzte zwei andere als Anführerinnen an ihre Stelle. Daraufhin wurde wieder die Trommel zum Drill geschlagen. Die Mädchen machten alle Schritte, drehten sich nach rechts oder nach links, marschierten geradeaus oder machten kehrt, knieten oder standen, und alles mit höchster Präzision und Gewissenhaftigkeit, und keine wagte, einen Laut von sich zu geben.

Dann schickte Sun Tsu einen Boten zum König und ließ ihm ausrichten: »Herr, Eure Soldaten sind jetzt richtig ausgebildet, sie halten Disziplin und sind bereit für die Inspektion durch Eure Majestät. Sie können zu jedem Zweck eingesetzt werden, den ihr Herrscher im Sinn haben mag. Fordert sie auf, durch Feuer und Wasser zu gehen, und sie werden sich nicht weigern.«

Doch der König erwiderte: »Der General soll den Drill einstellen und ins Lager zurückkehren. Wir haben nicht den Wunsch, hinunterzugehen und die Truppen zu inspizieren.« Darauf erwiderte Sun Tsu ruhig: »Der König schätzt schöne Worte, doch er vermag sie nicht in Taten umzusetzen.«

Da sah der König von Wu, dass Sun Tsu ein Mann war, der ein Heer zu führen wusste, und ernannte ihn in aller Form zum General.

Beinahe zwei Jahrzehnte lang blieben die Armeen von Wu siegreich über ihre Erbfeinde, die Königreiche von Yue und Chu. Irgendwann in dieser Periode starb Sun Tsu, und sein Herr, der König von Wu, fiel im Kampf. Einige Jahre lang gehorchten seine Nachfolger noch den Anweisungen Sun Tsus und blieben siegreich. Doch dann vergaßen sie sie. – Im Jahre 473 v. Chr. wurden die Armeen von Wu geschlagen und das Königreich wurde ausgelöscht.

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Die Episode unterstreicht Sun Tsus Lehre: Der Krieg sollte, wenn möglich, vermieden, oder schnell geführt werden. Wenn er aber geführt werden muss, dann muss dies mit aller Konsequenz und äusserster Disziplin geschehen.

Psychologische Führung aller Beteiligten, Flexibilität und Taktik gegenüber dem Gegner, äusserste Disziplin in den eigenen Reihen – das sind Prinzipien, die allgemeingültig sind und heute wie damals nicht nur in der Armee, sondern in allen Organisationen, ja sogar im persönlichen Leben und in der Mann-Frau-Beziehung von entscheidender Bedeutung sind. Deshalb ist Sun Tsus Buch ein allgemein gültiger, und noch heute aktueller Klassiker.
© Armin Fischer

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Im Jahr 2006 schoss ein Buch fulminant in den Bestsellerlisten nach oben: »The Secret«, das Geheimnis, von Rhonda Byrne, einer australischen Autorin und TV-Produzentin. Als eine ihrer maßgeblichen Quellen nannte Byrne in einem Interview Wallace Delois Wattles mit seiner »Wissenschaft des Reichwerdens«. Dieses Buch ist bis heute der am klarsten formulierte Ratgeber dafür, wie man Erfolg im Leben hat.

z.B.: Sun Tsu: Die Kunst des Krieges

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